10. Ostseetour 2009 - Leipzig nach Rügen (Bericht)

JoergBuettner
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10. Ostseetour 2009 - Leipzig nach Rügen (Bericht)

Beitragvon JoergBuettner » 30.06.2009, 23:31

10. Ostseetour 2009 - An einem Tag von Leipzig nach Rügen

oder: Wenn der Wecker 2 Uhr klingelt...


... heißt es schnell ins Bad, anziehen, frühstücken, Rucksack aufsetzen, Fahrrad und Fahrradhelm schnappen und durch das nächtliche Leipzig zum Treffpunkt an der Oper radeln, denn Martin Goetze und seine Radsportfreunde haben zur Ostseetour geladen. Für Martin - einst viermaliger DDR-Meister im Straßenradsport - und einige andere ist es schon die 10. Ostseetour. Aber diesmal ist etwas anders: Mein Kumpel Frank aus Leipzig und ich haben sich in das rund einhundertköpfige Peleton gemischt. Frank und ich sind zwar seit den 90ern Marathon- und Ironman erprobt, wollen es auf unsere alten Tage aber noch einmal wissen. Denn wenn Leipziger etwas starten, wird oft Geschichte geschrieben und wenn Leipziger zu einer Ostseetour rufen, ist das nicht mangelnden Geographiekenntnissen geschuldet. Ostseetour - das wird für die Zähen und Fitten am Ende des gleichen (!) Tages bedeuten, 508 km mit dem Fahrrad zurückgelegt zu haben.

Zehn Begleitfahrzeuge sicherten die Strecke, transportierten die Rucksäcke, die Verpflegung, die Ersatzteile, waren als Krankenwagen für alle Fälle mit dabei. Auf einem Hänger waren mächtige Lautsprecherboxen geschraubt, so dass vor gefährlichen Streckenabschnitten rechtzeitig gewarnt werden konnte. Ansonsten gab es knapp zwanzig Stunden was auf die Ohren gegen Müdigkeit und Konzentrationsmängel. Also auch für die Jungs und Mädels im Auto kein leichter Tag.

03.30 Uhr ging es mit einer 3km-Runde um den Leipziger Ring los. Leipzigs legendärer Wende-Demonstrationsring war aber nur von ein paar Nachtschwärmern belaufen. Kaum aus der Stadt raus fiel das Thermometer auf 7°C. Die Felder und Wiesen waren so nass, dass sich auch die Radschuhe voll Wasser saugten, obwohl der Asphalt selbst trocken war. Nach 80 km, schon hinter der Lutherstadt Wittenberg, im Brandenburgischen, gab es die erste Pause. Bananen, belegte Brote, Schokoladen-Ostereier sowie Apfelschorle und Wasser wurden gereicht.

Nach ca. 160 km überquerten wir die Havel mittels Fähre, was die zweite Pause darstellte. Die schien nach bereits drei Stürzen auch langsam notwendig. Mein Kumpel ging - schuldlos - so dynamisch über den Lenker, dass die Schale seines Helmes brach sowie Trikot und Jacke zu Putzlappen wurden. Neue Laufräder, etwas Verpflegung und eiserner Wille ließen ihn aber wieder aufsteigen.

Wir ließen Berlin rechts liegen, fuhren durch Nauen, später durch Lindow (Mark), durch Rheinsberg bis nach Canow. Dort stürmten wir mit 100 hungrigen Radsportlern und 20 Begleitern gleichzeitig das schöne Ausflugslokal am See. Ok, wir waren angemeldet und so standen Nudelberge, Gulasch oder Tomatensoße, reichlich Kuchen und Getränke bereit. Alles ging schnell, dass Essen schmeckte lecker und dann - mit vollem Magen, 250 km in den Beinen, in der Sonne auf die Stühle gefläzt - kam die Müdigkeit. Und dann die Selbstzweifel. Werde ich das Tempo (31 km/h) halten können? Wie lange noch? Wie soll ich nach einer Pinkelpause bloß wieder an das Feld ranfahren? Wozu tue ich mir das überhaupt an?

Man kann ja mal noch ein paar Kilometer mitfahren und dann mal schauen. The Boss muss auch dass vorhergesehen haben und so rollten wir erst einmal 3 km mit 25 km/h dahin. Dann war jedoch Schluss mit lustig. Das Tempo ging hoch und ich musste wenig später rechts ran. Ich erreichte das Feld jedoch wieder. Nun zog sich der Himmel zu. Irgendwie bis zur nächsten Pause durchhalten... Nach über zwei Stunden erreichten wir den Ort der geplanten Pause und - das Feld fuhr einfach durch. Der nächste Ort. Keine Pause. Noch eine Ortsdurchfahrt. Die Chefs hatten beschlossen, eine Pause komplett wegzulassen.

Bei km 325 war dann doch Pause. Es regnete und ich war alle. Ich rechnete damit, kurz nach der Pause das Tempo nicht mehr halten zu können, war aber nicht gewillt, in den Lumpensammler zu steigen. Ich hatte meinen kleinen Rucksack mit Verpflegung, Landkarten etc. dabei und briefte schon mal den Fahrer eines Begleitautos. Schnell noch was futtern - wie eigentlich die ganze Zeit, Flaschen aufgefüllt und schon ging es weiter. Auf den Wegweisern tauchte erstmal Stralsund auf. Eine gute Stunde bis Demmin und ich hielt mich im Feld. Von Demmin sollten es knapp 60 km bis Stralsund sein und dann auf der Insel noch einmal 60 km. Dann kam der Kreisverkehr in Demmin.

Erste rechts stand auf dem Wegweiser, doch der Tourfunk sagte dritte rechts. Nun schien wieder die Sonne, die Straßen waren trocken, glatt und leer. Aber wir fuhren nach Westen! Und Stralsund lag im Osten... 30 km weiter noch einmal Pause. Es gab jetzt auch Kuchen und Kaffee. Nach der Pause disziplinierte Martin das Feld allerdings weniger und der Schnitt ging nach oben. Wir jagten mit 34 km/h gen und durch Stralsund. Vorne mag das ja Spaß machen, aber hinten? Dauernd Lücken, vor jeder Kurve Bremsen und dann antreten. Mit 380 km in den Knochen.

Dann erreichten wir den Rügendamm. Die Rampe der neuen Brücke vor uns - aber 100 mal 40 Euro Bußgeld plus Endlospunkte in Flensburg hatten die Organisatoren Abstand nehmen lassen. Also alter Rügendamm. Ich war sauer - die Beine sowieso aber auch wegen der Spinner im Feld und ließ abreißen. Nun hatte ich einen VW-Bus neben mir, den Lumpensammler hinter mir, noch 60 km vor mir und es wurde langsam dunkel. Aber eine Pause wollte sich das Feld ja noch gönnen...

Ich erreichte den Platz der Pause 40 Sekunden, bevor das Feld wieder losfuhr. 15 km hielt es mich im Feld, aber ich wollte mit der Müdigkeit keine Welle fahren und einen Massensturz verursachen. Ich ließ mich zurückfallen und fuhr die letzte Stunde allein durch die Nacht.

Die schlimmste Kopfsteinpflasterpassage sollte noch kommen. Ein Begleitfahrzeug blieb hinter mir und leuchtete den Weg aus und 23:08 Uhr erreichte ich stolz und glücklich das Ziel direkt im "Jugenddorf hinter der Düne" in Juliusruh. Schnell die Klamotten geholt, das Bett bezogen, Kartoffelsalat und Bulette vernascht, geduscht und ab ins Bett. Ok, in der Reihenfolge, aber nicht mehr schnell. Dreiviertel der gestarteten Teilnehmer - von 19 bis 71 Jahren - war alles dabei - erreichte das Ziel auf dem Fahrrad.

Am nächsten Morgen wurde gefrühstückt, die Räder verladen und dann ging es - zur Gigantentaufe. Martin übernahm in seiner so unnachahmlichen wie grandiosen Art die Auswertung. Jeder bekam seinen individuellen Spruch ab. Die Finisher erhielten als Präsent eine Urkunde, eine Trinkflasche und Werkzeug und den Titel "Gigant der Landstraßen" verliehen. Ich finde, das habe ich mir verdient.

Ach ja, während der Auswertung sahen wir ein anderes Peleton im Regen die Straße gen Norden entlang rollen. Es war ein Teil der 12. Fichkona 2009, die Samstag 10 Uhr auf Ostdeutschlands höchstem Berg, dem Fichtelberg, gestartet war und bis zur Nordspitze der Insel Rügen, dem Kap Arkona führte. 175 Teilnehmer waren dort angetreten, um 612 km nonstop in die Pedale zu treten.

www.ostseetour.info
www.fichkona.de

Jörg
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Helmut
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Beitragvon Helmut » 01.07.2009, 00:27

Hallo Jörg,

Deine Leistung und Deinen Bericht finde ich einfach großartig. :GrosseZustimmung:

Dazu ist noch zu ergänzen, dass Du nicht einmal ein eigenes Rennrad besitzt, Dir extra für diese Tour eines geliehen hast. Dafür geht mein Dank auch an den Verleiher Stephan Blanquett von Exercycle Radsportreisen, weil ohne Rad keine Tour.

Wenn Du wieder so eine außergewöhnliche Aktion startest - wie z. B. Dein Rennradtraining zusammen mit Dir vorher unbekannten Mensanern auf Mallorca -, lass es uns bitte wissen.

Gruß, Helmut
Wenn's um die Wurst geht, sollte man gut abschneiden.
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Beitragvon Gert » 01.07.2009, 19:15

Hallo Jörg,

auch von mir Glückwünsche für die tolle Leisung!!! Respekt :Respekt:

Die altehrwürdige Kopfsteinpassage auf Rügen, hat bestimmt so manchem älteren Herren schon sein liebstes Mundwerkzeug gekostet. :mad: Da wird man so richig durchgeschüttelt und das auf etwa mindestens zwei Kilometer. Man könnte die Strecke auch zum Knocheneinrenken nutzen.
Na dann noch schöne Touren Pokalhoch

Gruß Gert
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Beitragvon Tom » 02.07.2009, 20:53

Hallo Jörg,

Helm ab vor Deiner Leistung.
Das ist das Salz in der Suppe. Toll, Dein Bericht gibt vielen Radlern den Ansporn solche Unternehmungen auch einmal anzugehen.
Ich freue mich auf die Berichte Deiner folgenden Herausforderungen,

viele Grüße,
Tom
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Beitragvon JoergBuettner » 02.07.2009, 21:54

Vielen Dank für Eure Glückwünsche und Kommentare!

Vielen Dank besonders an Stephan von Exercycle, der mir dafür sein Rennrad geliehen hatte, nachdem Helmut meine Bitte hier wohlwollend unterstützt hat!

Morgen starte ich erst einmal beim Sundschwimmen www.sundschwimmen.de - 2,5 km durch die kalte Ostsee.

Jörg
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Beitragvon Gert » 03.07.2009, 21:38

Hallo Jörg,

viel Spaß morgen, der Sund hat 23 Grad und die Sonne wird morgen noch einmal richtig brennen!!! :GrosseZustimmung: :GrosseZustimmung:

Na dann viel Spaß (1.000 Teinehmer) bei Altefähr - Stralsund

Gruß Gert
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Beitragvon Helmut » 07.07.2009, 23:01

Weitere Bericht und auch Bilder und ein Video von der Ostseetour gibt's hier:

http://leipzig-seiten.de/index.php?opti ... &Itemid=45
Wenn's um die Wurst geht, sollte man gut abschneiden.
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Beitragvon vfsradler » 08.07.2009, 13:04

Hallo Jörg,

bin über die Seite der Ostseetour auf Deinen Bericht gestoßen. Herzlichen Glückwunsch erst einmal zu dieser Strecke.

Das mit den Stürzen war sicher ärgerlich, aber auch vermeidbar, vor allem. wenn man zu dritt nebeneinander fährt und sich dann ein vierter reindrängelt, weil ein Auto kommt, passiert leider so etwas. Das mit dem Zieharmonikaeffekt hast Du leider Recht, aber das sieht man bei jedem RTF hinter der Kurve.

Ich habe es vom letzten Jahr gelernt und bin max. in der 5. Reihe gefahren.

:roll: ``Ich war sauer - die Beine sowieso aber auch wegen der Spinner im Feld und ließ abreißen.`` :roll:

Das war leider notwendig lt. dem Zeitplan. Du hast sicher gemerkt, dass wir schon eine Stunde hinter dem Zeitplan waren, auch durch die Stürze und ein 31,0 km/h Schnitt war schon vorgesehen. Zu allem bekommst Du es vor nicht so mit und man fährt gleichmäßig sein vorgegebenes Tempo.

Also super durchgekommen und Glückwunsch noch mal. Im nächsten Jahr klappt es sicher besser.

P.S. Ich war leider einer der Spinner : Kreisel :

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