ADFC Fahrrad*Sternfahrt NRW – 08.05.2016 (Ber. & Bilder)

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VeloC
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ADFC Fahrrad*Sternfahrt NRW – 08.05.2016 (Ber. & Bilder)

Beitragvon VeloC » 17.05.2016, 18:06

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"Alle aufs Rad – Räder für alle!" lautete das Motto der diesjährigen ADFC Fahrrad*Sternfahrt NRW. Olaf und ich hatten lange hin und her überlegt, ob wir lieber mit Tretlager oder Trittbrett an den Start gehen und uns schließlich für die Roller entschieden. Damit ist das langsame Fahren im dichten Pulk doch um einiges entspannter. Außerdem hat mein Roller eine Halterung für eine Lenkertasche, die sich wiederum gut zur Präsentation meines Plakats eignet: "RS2 statt A52!!!"

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Wir sparen uns diesmal den Schlenker zur Sammelstelle am Landschaftspark Nord und fahren direkt zum zentralen Duisburger Startpunkt am Hauptbahnhof. Schon um kurz nach 11:00 herrscht hier dichtes Gedränge. Ob wir heute über 8000 Teilnehmer zusammen bekommen? Das Wetter spricht dafür, da werden mit Sicherheit eine Menge Leute einfach aus Spaß mitfahren. Allerdings ist heute auch Muttertag, und da dürften viele anderweitig verpflichtet sein. Schauen wir mal!

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Tourleiter Christian Martin bespricht die letzten Details der geplanten Route mit der Polizei, instruiert die anderen Ordner und schafft es nebenbei noch, einen ganzen Stapel ADFC-Mitgliedsanträge unters Volk zu bringen. Von wegen, Multitasking wäre Frauensache!

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Unser erster Zielpunkt ist der S-Bahnhof Duisburg-Großenbaum, wo wir bei einem alkoholfreien Weizen auf die Ankunft der Teilnehmer aus Essen, Mülheim, Oberhausen und Bottrop warten. Bei ihrem Eintreffen werden sie mit lautem Gejohle empfangen.

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Um 12:30 geht es weiter zum nächsten Zwischenziel, dem Klemensplatz in Düsseldorf-Kaiserswerth. Im Biergarten der nördlichen Außenstelle der legendären Füchschen-Brauerei lässt sich die halbe Stunde Aufenthalt gut rumbringen. Auch wenn das Brauereiteam sich nach eigenen Angaben nur widerwillig an die Erschaffung eines alkoholfreien Altbiers gemacht ist, ist das Ergebnis rundum gelungen!

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Mit unseren motorisierten Begleitern in ihrer dicken Motorradkluft möchte in der heißen Sonne wohl niemand tauschen. Andererseits haben sie bislang einen recht entspannten Job. Selbst noch so genervte Autofahrer schlucken gegenüber der uniformierten Staatsgewalt doch lieber die Schimpftiraden herunter, die ihnen gegenüber Corkern bei der Critical Mass so leicht über die Lippen sprudeln. Einer bemerkt zu spät, dass Team Blau heute auch dabei ist und drängt sich von einer Parkplatzausfahrt brutal mitten ins Feld, in dem auch zahlreiche Kinder fahren. Mit versteinertem Gesicht nimmt er wenige Augenblicke später eine Strafanzeige entgegen. Dumm gelaufen, oder besser: dumm gefahren. Das Laufen darf er demnächst üben.

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Je näher wir unserem Ziel kommen, desto weniger schick wird Düsseldorf. Der dichtbesiedelte ehemalige Arbeiterstadtteil Oberbilk könnte auch im Ruhrgebiet liegen:

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Der Oberbilker Markt, Start- und Zielpunkt der zentralen Demo-Fahrt, wirkt mit seinen schattenspendenden Bäumen wie eine Oase in der Steinwüste. Aber da passen doch niemals 8000 Leute drauf, selbst wenn sie ihre Fahrräder auf der vorgesehenen Fläche in der Nähe parken!

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In den vergangenen Jahren gab es in Düsseldorf keinen gemeinsamen Startpunkt, stattdessen wurden die einzelnen Felder während der Fahrt Stück für Stück zu einem großen zusammengesetzt. Das hatte eigentlich immer gut geklappt. Das Ziel war dann die Rheinuferpromenade, wo ein großer Fahrradmarkt mit allen möglichen Aktionen stattfand und sich die ganze Masse der Mitfahrer gut verteilen konnte. Wie soll das hier funktionieren?

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Aber erstaunlicherweise ist für alle Radfahrer locker Platz auf der Fläche, d.h. die heimlich erhoffte Teilnehmerzahl ist nicht näherungsweise erreicht. Na gut, 8000 am Muttertag war sehr optimistisch angedacht, aber dass es keine 2000 sind, ist schon ziemlich enttäuschend.

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Der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD), Schirmherr der Veranstaltung, ist ebenfalls mit dem Rad angereist und hält eine kurze Begrüßungsansprache von der improvisierten Bühne. Kurz deshalb, weil er gleich im Anschluss weiter zum Stadion will, um "seiner" Fortuna im Kampf gegen den Abstieg beizustehen. Natürlich kommt das bei vielen Teilnehmern nicht gut an. "Was ist wichtiger, Radverkehrspolitik oder Fußball?" ist eine berechtigte Frage. Andererseits ist die Kritik friedlicher Raddemonstranten mit Sicherheit leichter zu ertragen als das Schlachtfest, dass die lokale Presse mit ihm veranstalten würde, wenn er dieser entscheidenden Partie fernbliebe. Mein Verständnis hat er jedenfalls, auch wenn ich die bekannte Prioritätensetzung von Express, RP und Co. einfach arm finde.

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Um 15:00 sollte die eigentliche Demo-Fahrt losgehen, doch inzwischen ist es schon Viertel nach und kein Aufbruch in Sicht. Verdammt, haben uns jetzt diese ultranationalistischen Türken mit ihrer Anti-Kurden-Demo blockiert? Bei aller Wertschätzung für das hohe Gut der Versammlungsfreiheit fragt man sich gelegentlich doch, wer oder was so alles unter welchen Bedingungen unbedingten Vorrang eingeräumt bekommt. Ihr Ziel ist der Burgplatz, Mittelpunkt der Altstadt und an einem sonnigen Feiertag wie heute der Mittelpunkt von ganz Düsseldorf. Dass es eine große Gegendemo gibt ist klar und auch gut so. Und dann ist da bekanntermaßen noch das Heimspiel der Fortuna, ach ja, und so ein paar Radfahrer sind natürlich auch noch da. Diese werden allmählich nervös, und die begleitenden Polizisten ebenfalls. Alle auf der Straße aufstellen, es geht los! Nein, geht es nicht, alle wieder runter von der Fahrbahn! Ja watt denn nu, und wie soll das gehen, wenn neben der Straße durch die Nachdrängenden gar kein Platz mehr frei ist, auf den man zurückweichen könnte?

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Max-Jenne immerhin kann ganz cool bleiben, er sitzt sicher und bequem im Beiwagen von Papas Cruiserbike. "Helmpflicht für Tauben!" prangt auf dessen Kutte, das Motto eines großen Cruiser-Events vor einigen Jahren.

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Mit zwanzigminütiger Verspätung kommen wir doch noch los,

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zunächst Richtung Westen über die Rheinkniebrücke,

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anschließend über die Oberkasseler Brücke wieder zurück:

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Von dort wollen wir erstmals durch den Kö-Bogen-Tunnel fahren, der seit letztem Jahr die abgerissene Hochstraße "Tausendfüßler" ersetzt. Olaf und ich haben ihn bei der Eröffnungsparty schon zu Fuß durchwandert. Er ist weit weniger spektakulär als der Rheinufertunnel, aber eine willkommene Ergänzung. Danach steht ein Schlenker über die berühmte Kö auf dem Plan, einmal der Länge nach rauf und runter. Der heutige Höhepunkt soll wie jedes Jahr die Durchfahrt des ausnahmsweise für den Autoverkehr gesperrten Rheinufertunnels sein, der in Nord-Süd-Richtung die Altstadt unterquert. Mit vielstimmigen Geklingel und aufgedrehter Musik aus sämtlichen Anlagen ist das immer ein Riesenspaß.

Doch am Ende der Oberkasseler Brücke müssen wir erstmal anhalten.

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Nach über 20 Minuten stehen wir immer noch in der brennenden Sonne, und der freiliegende Teil meiner Haut passt sich farblich allmählich dem HFS-Schriftzug an.

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Dann geht es endlich weiter, durch den Kö-Bogen-Tunnel, juchuu, dann ein Stück Richtung Hauptbahnhof, und jetzt müssten wir doch wieder nach Westen abbiegen, um zur Kö zu gelangen? Stattdessen unterqueren wir die Bahnlinie. Irgendwie stimmt die Führung nicht: Hier waren wir doch heute schon mal auf dem Weg von Duisburg. Das Straßenschild da vorne fängt zwar auch mit Kö an, aber statt "nigsallee" folgt "lner Straße". Und schwupps, sind wir wieder am Oberbilker Markt, und unsere Tour ist beendet.

Die Kinder bekommen nach dem langen Aufenthalt in der prallen Sonne auf der Brücke zur Abkühlung erstmal ein Eis,

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während Olaf und ich uns mit einem tatsächlich mit Liebe gemachten frischen Milchkaffee trösten.

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Iris Franke, Vorsitzende des ADFC-Düsseldorf, versucht den enttäuschten Teilnehmern zu erklären, was da abgelaufen ist. Angeblich hatte die Einsatzleitung der Polizei Befürchtungen, dass sich die einzelnen Demonstrationen zu nah kommen könnten und uns deshalb so lange auf der Brücke festgehalten. Schließlich hätten sie die ADFC-Führung vor die Wahl gestellt, entweder nach Durchfahrt durch den Kö-Bogen-Tunnel direkt zum Oberbilker Markt zurückzukehren oder die Teilnehmer noch mindestens eine weitere halbe Stunde in der Sonne schmoren zu lassen, in der Hoffnung, dass sich die Lage im Zentrum bis dahin entspannen möge. Letzteres war nun wirklich keine Option, und so blieb den Veranstaltern nichts anderes übrig, als die Verkürzung zähneknirschend zu akzeptieren.

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In der RP liest sich das später so: "[Daraufhin] beschließt die Polizei gemeinsam mit dem ADFC-Vorstand eine alternative Route". Klingt wie "Der Bankräuber und der Kassierer beschlossen gemeinsam, den Tresor zu öffnen"… Den Kollegen vor Ort ist vermutlich kein Vorwurf zu machen, den Verantwortlichen weiter oben bei Polizei und Ordnungsamt allerdings sehr wohl. Wie kann man einer Gruppierung, die bereits in der Vergangenheit mehrfach für geballten Ärger gesorgt hat, die man diesmal (wieder?) mit viel gutem Zureden erstmal entwaffnen musste, wie kann man sowas das Recht einräumen, an einem solchen Termin wirklich mittig durch Düsseldorf zu marschieren? Das Heimspiel der Fortuna und die Sternfahrt waren lange vorher bekannt und durchorganisiert. Dass da Verschwörungstheorien aufkommen, verwundert nicht wirklich. Warten wir ab, was das angekündigte Gespräch mit der Polizei ergibt, der Veranstalter verspricht zu berichten.

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Der Nachmittag auf dem Oberbilker Markt wird trotzdem noch ganz schön. Es gibt eine Podiumsdiskussion, zu der unter anderem unser ADFC-Landesvorsitzender Thomas Semmelmann auf die Bühne klettert, eine Menge interessanter Fahrzeuge und viele nette Leute, wie jedes Jahr.

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Dieser junge Nachwuchsfahrer verdient Respekt. Mit voller Begeisterung flitzt er auf seinem Laufrad im Slalom über den Markt, wobei er immer mal wieder eine Kurve zu scharf nimmt und der Länge nach auf dem Boden landet. Jedesmal steht er auf, klopft sich den Staub ab, checkt kurz sein Rad und schwingt sich wieder drauf. John Degenkolb lässt grüßen!

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Als Olaf und ich uns schließlich auf den Heimweg machen, kommen uns am Rheinufer ganze Horden glücklicher Fußballfans auf Fahrrädern entgegen. Die Fortuna hat mit dem heutigen Spiel den Klassenerhalt so gut wie geschafft, und alle sind in Partystimmung. Eigentlich lässt uns Fußball ja sowas von kalt, aber allein der hohe Anteil der Fans, die mit dem Fahrrad zur Arena anreisen, macht uns die Fortuna schon sympathisch. Da kommt der MSV selbst bei Kaiserwetter nicht näherungsweise dran. Bei uns staut sich immer nur die Autolawine, während zeitgleich der ÖPNV praktisch unbenutzbar wird und überall zerdepperte Glasflaschen rumfliegen. Gelegentlich lohnt sich für Duisburger doch mal ein Blick in die Nachbarstadt!

Die nächste NRW-Sternfahrt wird am 07.05.2017 stattfinden, und somit nicht mit dem Muttertag zusammenfallen. Mögen die Düsseldorfer Ordnungsbehörden bis dahin dazugelernt haben!

Fotos von Olaf

Infos und Fotos vom Veranstalter


Videos:

https://www.youtube.com/watch?v=nZXCNzlzla0

https://www.youtube.com/watch?v=9lcJluRf6jI

https://www.youtube.com/watch?v=TX5CD3dzsPw

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