STADTRADELN Duisburg – 21.05.2016 (Bericht und Bilder)

Benutzeravatar
VeloC
A-Lizenz-Schreiber
Beiträge: 433
Registriert: 05.10.2010, 13:55
Wohnort: Duisburg

STADTRADELN Duisburg – 21.05.2016 (Bericht und Bilder)

Beitragvon VeloC » 31.05.2016, 22:16

Bild

STADTRADELN Duisburg – Auftaktveranstaltung 21. Mai 2016

Die Kampagne STADTRADELN findet 2016 zum 9. Mal statt. Ausrichter ist das Klima-Bündnis, ein europaweites Netzwerk von Städten, Gemeinden und Landkreisen mit dem Ziel, durch viele lokale Aktivitäten in Summe einen Beitrag zum Schutz des Weltklimas zu leisten. Bei der dreiwöchigen Aktion STADTRADELN geht es darum, möglichst viele Menschen dazu zu bewegen, öfter mal das Auto stehen zu lassen und stattdessen das Fahrrad zu benutzen. Insbesondere sollen die Politiker vor Ort angesprochen werden, sich ihre Stadt einmal gründlich aus der Radfahrerperspektive anzuschauen und dadurch bei künftigen Entscheidungen in Sachen Verkehrsplanung ein breiteres Blickfeld zur Verfügung zu haben als es sonst leider üblich ist. Um Bürger und Politiker zum Mitmachen zu motivieren, wird das Ganze als spannender Mannschafts-Wettkampf mit ständig aktualisierten Ranglisten aufgezogen: München gegen Dortmund, SPD-Ratsfraktion gegen CDU Bezirk Süd, Team Finanzamt gegen Wettbüro Mafiolescu, Cycling Müllers gegen Schmidt’s Pedalos.

Bild

Das Konzept funktioniert, denn von Jahr steigen die Teilnehmerzahlen, sowohl was die Zahl der mitradelnden Städte als auch die der Starter pro Stadt angeht. Von den größten Städten Deutschlands sind inzwischen alle dabei, mit zwei Ausnahmen: die notorische Autostadt Stuttgart und die Fahrradstadt (?) Hamburg. Letzteres ist zumindest ein bisschen befremdlich. Dafür ist das Ruhrgebiet einschließlich Duisburg bereits zum dritten Mal am Start. Am 21. Mai gibt es als Auftaktveranstaltung im Westen eine Sternfahrt aus Essen, Oberhausen und Duisburg nach Mülheim. Die Duisburger treffen sich um 13:00 vor dem Stadttheater.

Bild

Karo ist noch in Urlaub, daher ist unser Familienteam TRITTBRETTFAHRER nur zu 75% vertreten. Neben Olaf und mir gehört noch meine Mutter Gudrun dazu, die mit ihren 81 Jahren weiterhin auf elektrische Unterstützung pfeift und trotzdem jedes Jahr einen soliden Beitrag zu unserer Kilometerbilanz leistet. Im letzten Jahr haben wir es sogar auf den 2. Platz der Teams mit 4-10 Mitgliedern geschafft. Ohne Karos Kumpel Roman, der uns eigentlich verstärken sollte, im Kampf mit seinem inneren Schweinehund aber schlecht abschnitt, wäre unser Rückstand auf die verdienten Sieger noch deutlich kleiner ausgefallen. Heute sind wir entgegen unserem Teamnamen alle drei auf Fahrrädern unterwegs, was uns diverse flapsige Sprüche einbringt.

Bild

Der ADFC verteilt grüne Stoffbeutel mit STADTRADELN-Logo, mit denen wir uns so etwas wie Corporate Design aneignen wollen.

Bild

Der Duisburger Umweltdezernent Dr. Ralf Krumpholz hat mit hartnäckigen Rückkopplungen zu kämpfen, bevor er endlich die Teilnehmer begrüßen kann. Nach rund 125.000 km in 2014 und 175.000 im letzten Jahr wollen wir diesmal die 200.000 knacken!

Bild

Anschließend stellt der Klimaschutzbeauftragte Karl-Heinz Frings die beiden diesjährigen Duisburger STADTRADELN-Stars vor. Reinhold Schalwat und Michael Kleine-Möllhoff haben sich vorgenommen, die nächsten drei Wochen komplett ohne Auto auszukommen. Zumindest letzterer dürfte da keine allzu großen Probleme mit haben, da er sein Auto bereits vor Monaten verkauft hat. Damit entfällt auch die sonst übliche feierliche Übergabe der Autoschlüssel an den Veranstalter.

Bild

Den offiziellen Startschuss gibt Hauptkommissar Arndt Rother, der Leiter der Abteilung Verkehrsunfallprävention bei der Polizei Duisburg. Michael geht sicherheitshalber in Deckung.

Bild

Angeführt von den "Stars" setzt sich die 52-köpfige Gruppe in Bewegung.

Bild

Über die Hängebrücke im Innenhafen mit ihrer ausgefuchsten Hubmechanik

Bild

geht es geradeaus an die Ruhr,

Bild

die wir zunächst ein paar Meter flussabwärts begleiten:

Bild

Über das Wehr und die dahinter liegende Ruhrschleuse wechseln wir auf die andere Seite.

Bild

Dort folgen wir dem Ruhrtalradweg flussaufwärts, zunächst an der Schleuse Meiderich vorbei. Ich fahre zusammen mit Wilma vom ADFC-Team und Brunhilde vom Team Cycle chic. Sofern hier Duisburger mitlesen, die noch nicht anderweitig vergeben sind: Das Team Cycle chic sucht noch weitere Mitfahrer! Anmeldung hier.

Bild

Wir unterqueren die A59 und erreichen das Ende der Schleuseninsel. Das Oberwasser der Schleuse Meiderich zu unserer Linken gehört bereits zum Rhein-Herne-Kanal, dürfte so ungefähr Kanalkilometer 1,2 sein. Die gelbe Brücke über den Stichkanal zur Ruhr war vor Jahren einer der wichtigsten Bausteine des Ruhrtalradwegs, denn dadurch wurden zwei Sackgassen zu einer durchgehenden fast autofreien Verbindung, von der auch Alltagsradfahrer profitieren.

Bild

Ein paar Hundert Meter folgen wir noch dem Rhein-Herne-Kanal,

Bild

bevor wir zur Ruhr zurückkehren und durch die Ruhrauen nach Oberhausen-Alstaden fahren.

Bild

Hier verlassen wir kurzzeitig den Ruhrtalradweg, der in seinem offiziellen Verlauf jetzt ein paar eher unangenehme Kilometer mit viel Autoverkehr bereit hält. Unsere Alternativroute folgt der Kewerstraße bis zu deren Ende

Bild

und wird zunächst immer idyllischer:

Bild

Bis wir unversehens direkt an der A40 landen, der wir noch ein paar Meter nach Süden folgen, bevor wir sie auf einer schmalen Fußgänger- und Radfahrerbrücke überqueren (Karte).

Bild

Die steile Brückenauffahrt hat unser Feld auseinander gerissen. An der Bahnlinie wird gewartet, bis alle aufgeschlossen haben.

Bild

Am Schloss Styrum kehren wir auf den ab hier wieder grünen Ruhrtalradweg zurück.

Bild

Den Treffpunkt am Mülheimer Hauptbahnhof erreichen die Duisburger mit einiger Verspätung, und gleich nach unserem Eintrudeln setzt sich das Fahrerfeld aus vier Städten in Bewegung. Wir lassen das Einkaufszentrum FORUM links liegen,

Bild

fahren über den Kaiserplatz

Bild

hoch in die Altstadt:

Bild

Von dort geht es mit einigen Schlenkern wieder runter zur Ruhr,

Bild

wo wir an der Marina einen Zwischenstopp einlegen.

Bild

Anschließend fahren wir alle zusammen an der Kaufhof-Ruine vorbei

Bild

und über die Schlossbrücke

Bild

zurück zur MüGa, dem Gelände der Landesgartenschau NRW 1992. Das schmale Tor verursacht einen langen Stau.

Bild

Auf dem MüGa-Gelände liegt auch das Ziel unserer Sternfahrt, der Ringlokschuppen.

Bild

Das Planungsamt der Stadt Mülheim hat wie im Vorfeld angekündigt einen umfangreichen Infostand aufgebaut, an dem man sich über den aktuellen Stand der Pläne für den Ausbau der Trasse der Rheinischen Bahn auf Mülheimer Gebiet (Abschnitte 3a, b und c) informieren kann. Klingt hochkomplex, ist es aus verwaltungstechnischer Sicht auch tatsächlich, aber die Kurzfassung für Radfahrer lautet: Das große Ziel hinter allen Sorgen und Mühen ist der Radschnellweg Ruhr (RS1)! Allein wegen dieser Informationen wäre ich notfalls auch zu Fuß aus Duisburg gekommen.

Bild

Doch jetzt wollen wir erstmal die Ansprachen verfolgen. Die Mülheimer Bürgermeisterin Ursula Schröder begrüßt alle Teilnehmer und die offiziellen Vertreter der Städte Mülheim, Duisburg, Essen und Oberhausen.

Bild

Der Mülheimer Baudezernent Peter Vermeulen sorgt mit mehr oder weniger geschickten verbalen Hüftschwüngen für Erheiterung beim Publikum. Auf die Frage der Moderatorin, ob er selber denn regelmäßig Rad fahre: Nun ja, er fahre sehr gerne Rad. Sie lässt nicht locker: Also regelmäßig? Antwort sinngemäß: Naja, also öfters. Aber wirklich sehr gerne! – Ja nee, is’ klar. Würde der langjährige oberste städtische Planungsverantwortliche regelmäßig Rad fahren, hätte Mülheim für Radfahrer deutlich weniger alptraumhafte Verkehrsführungen zu bieten als das heute leider der Fall ist. Und dass der Grund für den wirklich mickrigen Radverkehrsanteil in Mülheim in der hügeligen Geographie zu finden sei – glaubt er das im Zeitalter des Pedelecs allen Ernstes selber? Den anwesenden Radfahrern in meiner Nähe fallen da auf Anhieb ganz andere Gründe ein… Aber die Sonne scheint, wir sind alle gut drauf, und so gibt es doch artigen Applaus. Zumindest wurde hier allen der Sinn und Zweck der Aktion STADTRADELN nochmal ganz deutlich vor Augen geführt.

Bild

Ehrengast ist der STADTRADELN-Botschafter Rainer Fumpfei, der von Berlin aus zwischen Anfang Mai und Mitte Juni 140 beteiligte Kommunen in Deutschland, den Niederlanden und Belgien besuchen und dabei rund 3200 km auf dem Rad zurücklegen wird. Unbezahlt, auf eigene Initiative!

Bild

Ein echt charismatischer Typ, er lässt uns erstmal Gruppengymnastik zur Lockerung der Schulter-Nacken-Partie durchführen. Zum Abschluss dürfen wir uns jeder selber auf die Schulter klopfen – für die Teilnahme beim STADTRADELN oder bei der Turnübung oder bei beidem, egal!

Bild

Zwischendurch gibt es jazzige Klänge vom TRIOBRAVO.

Bild

Als nächstes zeigen uns Tessa (9, links) und Anais (11) vom RC Sturmvogel Mülheim, was man mit und auf einem Rad so alles anstellen kann – wenn man es denn kann. Und die beiden können jetzt schon eine Menge!

Bild

Als Anais den Stand auf Sattel und Lenker vorführt, halten alle den Atem an. Wortwörtlich: Sobald sie sicher wieder unten ist, ertönt ein vielstimmiges Fffffft, gefolgt von donnerndem Applaus.

Bild

Magnus, der Jüngste im Kunstradteam, ist erst 5 Jahre alt, macht seinem Namen aber bereits Ehre. Junge, in dem Alter habe ich mir was drauf eingebildet, überhaupt einigermaßen sicher radfahren zu können!

Bild

Nach der beeindruckenden Show leert sich das Gelände schnell. Die Duisburger wollen zügig aufbrechen, Olaf und ich aber erst noch in Ruhe ein Eis essen. Wir werden also allein zurückfahren, entlang der zukünftigen RS1-Strecke wie geplant.

Bild
Zuletzt geändert von VeloC am 01.11.2016, 21:01, insgesamt 4-mal geändert.
Benutzeravatar
VeloC
A-Lizenz-Schreiber
Beiträge: 433
Registriert: 05.10.2010, 13:55
Wohnort: Duisburg

Beitragvon VeloC » 31.05.2016, 22:18

Bild

Auch am Infostand wird bereits zusammengepackt. Quasi in letzter Minute erwische ich Helmut Voß, den Mülheimer Fahrradbeauftragten, um meine dringendsten Fragen loszuwerden. Er nimmt sich Zeit, sie ausführlich zu beantworten. Hier nur die Kurzfassung:

1. Die Duisburger Straße wird weiterhin in ihrem "dunklen Tunnelloch" verbleiben, ein niveaugleicher Übergang des Radschnellwegs steht entgegen dem WAZ-Bericht nicht zur Diskussion. Wie User Nobby.Brinks schon schrieb, wäre die damit erforderliche Kreuzung der Straßenbahnlinie 901 mit der Hafenbahn nach EBO gar nicht zulässig. Der RS1 wird also definitiv parallel zur Hafenbahn die Duisburger Straße kreuzungsfrei überqueren. Allerdings können die Planungen des RVR für diesen Abschnitt westlich der Hochschule derzeit nur auf Sparflamme laufen, weil die Finanzierung immer noch nicht gesichert ist. Danke Alex! :cry:

2. Dafür ist in den Abschnitten 3b und c, deren Finanzierung zum größten Teil das NRW-Wirtschaftsministerium übernommen hat, alles perfekt im Zeitplan, einschließlich der Sanierung der Ruhrbrücke. Deren Stahlstruktur ist deutlich besser in Schuss als es aus der Entfernung aussieht, so dass mit umfangreichen Erneuerungen nicht zu rechnen ist. Für eine genaue Beurteilung müssen aber zunächst einmal die noch vorhandene Beschichtung und der in den Lücken entstandene Rost durch Sandstrahlen beseitigt werden. Dafür wird die Brücke vollständig eingerüstet und mit Planen verhüllt. Auch nach unten muss alles dicht sein, damit von den schadstoffhaltigen Anstrichresten nichts in der Ruhr landet. Ob das dann wirklich aussieht wie ein Kunstwerk von Christo, können wir bald selbst beurteilen!

3. Abschnitt 3a ist das umstrittene Stadtviadukt, wo man nach aktuellem Informationsstand aus der Presse anhalten und die Stadt betrachten soll. Der maßstabsgetreu mit Kreide auf den Boden gezeichnete Querschnitt sieht dagegen vielversprechend aus:

Bild

4 m für Radfahrer, 2 m für Fußgänger, dazwischen 2 m für Zauneidechsen-Wohngebiete, Pflanzkübel und Sitzbänke. Das ist doch eine exakte Umsetzung der Radschnellwege-Standards! Die Desillusionierung folgt auf dem Fuß: Nein, es wird keine offizielle Trennung von Fuß- und Radverkehr geben; der breite Teil wird, wie vom NRW-Städtebauministerium als Geldgeber nachdrücklich gefordert und von der Mülheimer Kommunalpolitik mit großer Mehrheit begrüßt und abgesegnet, "Mischverkehrsfläche". Wenn sich entscheidungsbefugte Betonköpfe in Mülheim und Düsseldorf einig sind, verpuffen alle vernünftigen Argumente. Als Mitgliedsstadt der AGFS muss man zwar einen Radverkehrsbeauftragten haben, der bei verkehrspolitischen Entscheidungen angehört wird, das heißt aber nicht, dass man auch auf ihn hören müsste. Keine Missverständnisse: Ab "Wenn sich" sind das meine Worte, nicht seine!
New Model Army hat geschrieben:You can say what you like,
but it doesn’t change anything.
(51st State)
Nun denn, wenigstens herrscht jetzt Klarheit. Der RS1 wird also auf Mülheimer Gebiet mutwillig unterbrochen. Dieser Logik folgend wird als nächstes ein Spielstraßenbereich auf der A40 westlich der AS Mülheim eingerichtet. Dort müssen Autofahrer dann halt mal Rücksicht auf Radfahrer und Fußgänger nehmen anstatt hindurch zu brettern. Auf den vorgesehenen Parkflächen kann man sein Auto stehen lassen, um den Blick auf das Naturschutzgebiet Styrumer Ruhraue zu genießen. Diese Aussicht ist jedenfalls deutlich reizvoller als die vom Stadtbalkon in der City auf den hässlichen Parkplatz vor dem Rathaus!

Eine ähnliche Vision hat Michael Kleine-Möllhoff schon vor Monaten im ADFC-Blog beschrieben. Dafür gab es viel Beifall von Radfahrerseite, aber null Reaktion von den Mülheimer Entscheidern. Die tatsächlichen Auswirkungen dieser Sabotage einer großartigen Idee werden wir planmäßig ab Frühjahr 2017 erfahren können. HFS-Leser werden selbstverständlich zeitnah und bebildert informiert!

Bilder von Olaf

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast