Eigentlich wollten wir unseren diesjährigen LongRide im Juli als „3ELFER Rad Challange“ im Schwarzwald absolvieren. Aber irgendwie hat es zeitlich und familiär nicht gepasst.
Also haben Stefan und ich uns entschlossen, diesen direkt vor unserer Haustür zu starten.
Aufgrund der guten Wettervorhersage war der 01.08.2020 der Tag der Wahl. Wind aus Südost sorgte für die Entscheidung die geplante Coast to Coast Runde gegen den Uhrzeigersinn zu fahren. Warum Runde und nicht nur eine Strecke? Weil wir nicht direkt an der Küste wohnen und eine An- und Abreise mit der Bahn umständlich und unsportlich ist.
05:30 Uhr wir starten bei frischen 15° Grad Richtung Nordost.
Das 60 km entfernte Scharbeutz an der Ostsee ist unser erstes Zwischenziel und eigentlicher Startpunkt. Nach ca. 2 Stunden erwartet uns dort ein noch fast leerer Strand und eine traumhafte Morgenstimmung.
Zeit zum Verweilen und ein zweites Frühstück. Irgendwann müssen wir weiter, wir haben ja noch einiges vor. Nun geht es direkt Richtung Westen, der Südost Wind unterstützt und lässt uns gut vorankommen. Wir queren Winnetous Apachen-Land bei Bad Segeberg. Hier finden zu normalen Zeiten die alljährlichen und deutschlandweit bekannten Karl May Festspiele statt. Heute ist es ruhig und auf unseren Carbon Rössern rollen wir weiter, um kurze Zeit später das Neumünsteraner Revier von unserem Weltbummler Kocmonaut zu passieren. Wir bekommen ihn nicht zu sehen. An dieser Stelle aber einen ganz lieben Gruß. Über kleine Straßen kommen wir in ein unscheinbares Dorf, welches 362 Tage im Jahr schläft, um dann 3 Tage eine brachiale Party zu feiern.
Wir sind in Wacken – der Pilgerstätte aller Hard Rock Fans. Es ist WOA (Wacken Open Air) Weekend, die Straßen sind brechend voll, an ein Durchkommen ist nicht zu denken! So ist es im Normalfall – nicht so in Zeiten von Corona. Es sind nur ein paar wenige Fans unterwegs, die WOA-Fahnen hängen auf Halbmast und ein Konzert soll es als Livestream geben. Wir verlassen das heute beschauliche Dorf und kommen bei Halbzeit an die erste Querung des Nord-Ostsee-Kanals bei Hochdonn.
Auf der Fähre sehe ich einen echten Rad-Gangster, mit dem ich zum Glück befreundet bin
85% der zu absolvierenden Hm haben sind hier schon auf unseren Radcomputern. Wir kommen unserem zweiten Tagesziel näher und irgendwann sehen wir den ersten Vordeich. Dennoch sind es noch einige Kilometer bis an die Nordsee. Vorbei an endlosen Kohlfeldern, des Dithmarschers Lieblingsgemüse kommen wir an die See.
Dort fahren wir ein Stück vor dem Deich direkt durch die Herden der Bio-Rasenmäher.
Nach nunmehr 210 km sind wir in Friedrichskoog (Coast to Coast Mission erfüllt).
(Dieses Foto dient nur als Beweis für den doch recht heftigen Küstenwind, man beachte die Fahnen)
Wir halten uns nicht lange auf. Nun müssen wir „nur noch“ nach Hause. Der bis dato hilfreiche Wind kommt nun direkt von vorn und das nicht zu knapp. Es folgen die 30 anstrengendsten Kilometer des Tages. Wer schon mal an der Küste Rad gefahren ist, weiß, hier gibt es keine Möglichkeiten sich vor dem Wind zu verstecken, denn hier kannst Du montags gucken, wer sonntags zu Besuch kommt. So zeigt der Tacho fast nie mehr als 25 km/h und die endlosen Geraden zerren an den Nerven.
Die zweite Querung des Nord-Ostsee-Kanals bei Brunsbüttel sorgt für etwas Abwechslung. Hier wird der Kanal durch eine gigantische Schleusenanlage von der Elbe getrennt und ist praktisch der Ein- oder Ausgangsbereich des Kanals.
Ab hier rollt es im Schutze des Elbdeichs auch wieder etwas geschmeidiger. Vorbei an den AKW’s Brunsbüttel und Brockdorf
geht es zum Störsperrwerk bei Glückstadt. Eine Hebebrücke ermöglicht dem Schiffsverkehr bei Bedarf die Einfahrt ins Hinterland. Das Sperrwerk schützt dasselbe im Bedarfsfall vor Elbhochwasser.
Unsere Fahrtrichtung ist jetzt Ost, der Wind kommt nun eher seitlich und scheint sich langsam zu legen. Es ist 17:00 Uhr, auf dem Tacho stehen 285 km, unsere Tanks sind leer. 43 km vor dem Ziel müssen wir eine Pause einlegen. Eine Frau sieht uns (den Haufen Elend) vorm Bäcker sitzen und erkundigt sich über unsere Tour. Sie guckt etwas ungläubig und sagt schließlich mit einem Lächeln: „Naja, Ihr macht das ja freiwillig“, womit Sie ja nicht unrecht hat.
Leckere Quark-Rosinen-Teilchen und ein großer Pott Kaffee bringen die Lebensgeister zurück. Und so machen wir uns auf zum Finale-Grande und rollen zügig Richtung Heimat. Meinen Vorschlag noch 5 km ran zuhängen, um die 333 km voll zu machen, lehnt Stefan dankend ab und lässt sich auch durch die Aussicht auf den Titel „Lusche des Tages“ nicht umstimmen. Nach 328 km und 13:10 Std. Gesamtzeit rollen wir 18:45 Uhr wieder in die heimische Garage und kippen erstmal ein kühles Blondes.
Es war wie immer, eine Tour mit Höhen und Tiefen und der Frage nach dem Warum. Am Ende des Tages war es, wie immer anstrengend, aber wie immer – „ Auch Leider Geil“.
Und es hat sich wieder bestätigt: Es gibt nur einen Menschen mit dem ich ohne Bedenken und ohne zu zögern, solche Touren fahre – Danke Stefan!
Game on! Gruß Mario